Tagebuch zum Ritterspektakel 2023
Wir schreiben das Jahr 2023. Weil im Jahre des Herrn 2021 das Weißensteiner Ritterspektakel wegen der Corona-Pandemie ausfallen musste, findet die 14. Ausgabe nun im Jahr 2023 statt.
Die Herolde vom Karfunkel machen sich am Mittwoch, den 31. Mai erneut auf den Weg nach Regen im Bayerischen Wald, um über diese Veranstaltung zu berichten. Ob der Bericht im Karfunkel erscheinen wird, ist derzeit noch fraglich.
Mittwoch, 31.05.2023
Seit Mittwoch, dem 31. Mai 2023 sind Wolfgang und ich wieder in Regen, wohnen erneut bei Annemarie Seitz. Das Gepäck ist dieses Jahr knapp ausgefallen, weil wir auf dem Rückweg noch Brennholz mitnehmen werden. Mein Mittelalterkram ist deshalb dünner als 2019. Kein Umhang, kein Gambeson, kein Paletot, aber alle Taschen, die sich in meiner Königlichen Reisetruhe finden ließen, Bleistiftfutteral, Essbestecke, Gugel, Botentasche – und ein neuer, auf den letzten Drücker genähter grüner „Robin-Hood-Hut“ aus Leinen und Baumwolle, der besser passt als die, die ich mir für richtiges Geld auf dem Weißensteiner Mittelaltermarkt 2019 kaufte.
Donnerstag, 01.06.2023
Wir sind in Weißenstein, um zu sehen, was sich schon getan hat. Die Vogtey, Befehlszentrale des Spektakels, und die Schänke stehen. Die Pfosten für den Holzzaun stehen, die Bretter sind geliefert und liegen bereit, um verbaut zu werden. Zelte sind noch nicht zu sehen.
Dienstag, 07.06.2023
Nach dem vom neuen 1. Vorsitzenden der Freunde der Burganlage Weißenstein e. V. (Burgfreunde) erstellten Arbeitsplan soll heute Abend der Bühnenbereich gekennzeichnet werden. Im Bayerwaldboten ist ein Artikel zum Ritterspektakel erschienen, für das Boris Radlinger und der 2. Vorsitzende, Sepp Niedermeier, ein Interview gegeben haben.
Nach diesem Artikel bleibt es bei dem familienfreundlichen Eintrittspreis von 5 € für alle drei Tage der Veranstaltung. Auch der Bierpreis soll nicht erhöht worden sein. Erstmals wird die Hexe Roxana in Weißenstein sein, ein tschechischer Waffenschmied und ein ungarischer Bogenbauer werden die Fieranten bereichern.
Donnerstag, 08.06.2023, Fronleichnam
Schon morgens sind mehr Wolken vorhanden als in den letzten Tagen. Am Nachmittag sollen Gewitter möglich sein. In Weißenstein soll heute die Bühne aufgebaut werden. Weil wir uns beim Eintritt entschieden haben, nur passive (sprich: zahlende) Mitglieder im Burgfreunde-Verein sein zu wollen, wollen wir den Profis in Sachen Organisation und Aufbau nicht ins Handwerk pfuschen, wollen wir heute nach Poschetsried fahren, wo ein Zugpferdetreffen stattfindet.
Als wir das Haus gegen 11.00 Uhr verlassen, fallen die erste dicken Tropfen, aber das Wetterradar beruhigt: Es ist nur ein kleiner „Regenklops“. Von wegen, Maschinen und Computer können nicht irren! Als wir in Poschetsried ankommen, ist schon ein derber Schauer niedergegangen, der so nicht geplant war. Mehrere Schauer in immer stärkerer Ausprägung gehen nieder, einer sogar mit kleinkörnigem Hagel.
Was in Poschetsried als kleinkörniger Hagel niedergeht, kommt in Weißenstein als richtiger Hagel herunter, wie wir später erfahren. Poschetsried liegt auf einer Höhe von rund 650 m, der Burganger von Weißenstein auf 720 m. Diese 70 m Höhendifferenz machen sich hier deftig bemerkbar.
Gegen 15.30 Uhr versuchen wir einen Besuch in Weißenstein. Auf dem Weg steht schon wieder eine tiefschwarze Wolke über Poschetsried und Weißenstein. Es regnet erneut, aber diesmal scheint der Regen eher über Rinchnach zu ziehen. Unter der Burg regnet es nur leicht.
Wir können erkennen, dass das zweite Holzhaus hinter der Vogtey steht und dessen Dachüberstand zur Vogtey mit einer Abdeckung verschlossen ist, die ganzflächig mit dem Böcklerwappen (von rot und gelb gespalten mit einem schwebenden, schwarzen, steigenden Einhorn) versehen ist. Die Bretter am Zaun sind montiert. Von der Bühne sind allerdings nur die Grundbalken verlegt. Wir nehmen an, dass der Wolkenbruch vom Vormittag nicht mehr an Bautätigkeit zugelassen hat. Ich mache Fotos, wir fahren wieder heim.
Freitag, 09.06.2023
Nach dem Mittag machen wir einen weiteren Besuch in Weißenstein. Ein gutes Dutzend Burgfreunde ist fleißig dabei, weitere Vorbereitungsarbeiten zu machen. Sepp stellt uns dem neuen 1. Vorsitzenden Boris Radlinger vor. Wir bekommen die neuen Crewarmbänder, werden sie aber regulär bezahlen, sofern die Veranstaltungskasse offen ist.
Das Schnupferzelt ist da und wird aktuell aufgebaut. Von der Bühne ist noch nicht mehr zu sehen als am Vortag, aber die Platten für die Bühnenauflage liegen schon bereit.
Das verbliebene Holz von den Zaunbrettern wird als Feuerholz auf die Lagerplätze verteilt. Boris und Sepp montieren den Lagerplan an der Vogtey, die noch eine undichte Stelle im Dach hat. Die beiden Vorsitzenden montieren auch das Vogtey-Schild, für dessen geraden und mittigen Sitz ich das Augenmaß geben darf.
Sonntag, 11.06.2023
Nach dem Essen machen wir einen Besuch in Weißenstein. Zu unserer Überraschung stehen nicht nur das blaue Schnupferzelt und das weiße Vereinszelt, nein, auch die Bühne, Das Dach über der Bühne, die Zelte an der Bogenbahn und die Kassenzelte sind ebenfalls schon aufgestellt. Zudem sind die Plätze für die Fieranten (Händler) schon ausgesteckt.
Obwohl heute eigentlich keine Vorbereitungsarbeit geplant ist, ist Sepp Niedermeier auf dem Platz. Der Elektriker hat ihn aus dem sonntäglichen Mittagsschlaf gerissen, um die elektrische Einrichtung zu besprechen. Weil uns der Elektriker an der Kreuzung Rinchnacher Straße/B 85/Weißensteiner Straße mit Fahrtrichtung Regen (also entgegengesetzt) begegnet ist, dauert es etwas, bis er in Weißenstein eintrifft.
Sepp berichtet auf Nachfrage, dass die Halbe Ritterbier dieses Jahr 4,40 € kosten soll. Das erscheint widersprüchlich zur Angabe gegenüber dem Bayerwald-Boten, dass der Bierpreis nicht erhöht werden soll. Wir werden aber den tatsächlichen Preis abwarten. Vielleicht irrt er sich. Ich mache Fotos von den aufgebauten Zelten und den Tischen oben bei der Burgschänke. Dort werden einige Plätze fehlen, denn der Getreidekasten, das einzige vollständige erhaltene Haus der Burg Weißenstein, hat neuerdings eine metallene Feuertreppe auf der Burgseite. Sie war notwendig geworden, um die Örtlichkeit brandsicher zu machen, in der sich neben dem Museum Fressendes Haus auch ein standesamtliches Hochzeitszimmer befindet. Schön ist sie nicht, garantiert nicht mittelalterlich, aber im 21. Jh. nötig. Durch die Treppe sind auf der Seite direkt vor der Burgschänke ein paar Quadratmeter Platz für Bierbänke entfallen.
Rein wettertechnisch wäre der heutige Tag mit weiß-blauem Himmel und ca. 24 ° C ideal für das Ritterspektakel, aber das ist erst in fast einer Woche …
Dienstag, 13. 06.2023/19.00 Uhr
Die Generalprobe der Amici Castelli beginnt. Alle Beteiligten sind kostümiert angerückt und führen den Burgtanz auf. Klappt dem ersten Anschein nach gut, aber beim Rhythmuswechsel hakt es etwas. Mal sehen, was die „Manöverkritik“ der Tanzmeisterin ergibt.
Es scheinen nur unwesentliche Problemchen gewesen zu sein, denn die einmalige Probe genügt dieses Mal. Vor vier Jahren waren drei Durchgänge nötig, um die Generalprobe abzuschließen.
Es folgt die Bierprobe. Das in Flaschen abgefüllte Ritterspektakelbier ist – wie üblich – leicht dunkel und hat ebensoviel Volumenprozent Alkohol wie das Falter Export-Bier: 5,3 %. Im Gegensatz zum Export-Bier enthält die Flaschenvariante des Spektakelbiers aber zungenscheinlich weniger Kohlensäure. Beim Fassbier wird via Zapfanlage noch Kohlensäure dazugegeben. Ehrlich: In der Flaschenversion ist das nicht mein Lieblingsbier, jedenfalls nicht in diesem Jahr.
In den Getränkemärkten und auch bei der Brauerei ist das Ritterspektakelbier dieses Jahr nicht für die Allgemeinheit zu bekommen. Weder als Flaschenabfüllung noch als 5-l-Fässchen. Einem der Getränkemarktbetreiber hat die Brauerei gesagt, das Spektakelbier sei das gleiche wie das Festbier, das gegenwärtig in den Getränkemärkten verkauft wird. Das ist objektiv unwahr, denn das Festbier hat 5,9 % Alkohol …
Die Wettervorhersagen für das Festwochenende sind noch uneinheitlich. Europäische Rechenmodelle sagen trockenes Wetter voraus, das amerikanische Modell sieht derzeit Gewitter vorher – pünktlich zum Anschuss am Freitag um 17.00 Uhr! Ich hoffe für alle, die sich für das Ritterspektakel engagieren, dass sich die amerikanischen Wetterfrösche irren.
Ich bin dieses Jahr nur unvollkommen ausgerüstet und hoffe, dass meine schwarze Gugel, die mich auch heute Abend vor Kälte in meiner ramponierten rechten Schulter bewahrt, das auch am Wochenende leisten kann.
Donnerstag, 15.06.2023
Nach dem Frühstück und Getränkeversorgung bei der Brauerei Falter (heute abgefüllt – frischer geht’s nicht!) fahren wir zum Festgelände nach Weißenstein. Die ersten Händler – die aus der näheren Umgebung oder aus Ortenburg kommend, wo am Fronleichnamswochenende Mittelalterparty war – erreichen das Festgelände. Sepp, der für die Fieranten zuständig ist, weist ihnen die Plätze zu, sie beginnen mit dem Aufbau. An der Schänke hat die Metzgerei Schilling ein Partyzelt als Essenausgabe aufgebaut – statt des Holzbaus, den Sepp sogar angeboten hatte. Entsprechend grantig ist er auf das neuzeitliche Kunststoffzelt, dessen einzige „Landhaus“-Zier die auf die Fensterfolien gedruckten Fensterkreuze sind. Und obendrein besteht die Verkleidung der Essensausgabe aus Pressspanplatten – nicht mal ansatzweise getarnt! Au weia!
Während wir dort sind, kommen auch die ersten Lagergruppen an. Wer kommt, hat einen Anhänger dabei. Das ganze Getrösel von Zelt(en), Mobiliar und Klamottage ist – insbesondere bei größeren Gruppen – nicht mehr in einem PKW zu transportieren. Zudem sind die meisten Anhänger, die wir sehen, kühlfähig (wer will schon warmes Bier trinken?). Aufgebaut wird in neuzeitlichem Zivil.
Die Parkplätze sind ebenso ausgesteckt wie die Lagerplätze und die Marktstände. Die Ersten, die erscheinen, sind naturgemäß jene, die aus der näheren Umgebung kommen. Wir sehen aber auch Fahrzeuge mit Nailaer Kennzeichen, aus Schwandorf, Neunburg vorm Wald. Das sind gute 260 km, nicht gerade um die Ecke! Unter den Fieranten entdecken wir einen mit Nürnberger Kennzeichen, einen gar aus Rheinland-Pfalz, aus dem Kreis Kusel.
Am Nachmittag sind wir nochmals oben. Mundgerecht, Futter-Fierant aus dem Landkreis Tübingen, ist eingetroffen und baut auf. Weitere Lagergruppen sind eingetroffen und arbeiten am Aufbau des Lagers.
Eigentlich hatte ich ja letztes Mal geplant, für Wolfgang und mich Presseausweise herzustellen, damit wir bessere Karten beim Fotografieren haben. Dummerweise habe ich diese Planung erst heute gesehen, als ich die Website aufgerufen und aufgeräumt habe. Keine Presseausweise. Dafür habe ich heute „Visitenkarten“ mit „Gundolf v. Turmesch, Chroniken, G. + W. Wessel, Tornesch, www.gundolfs-almanach.site123.me“ handschriftlich produziert – mithilfe eines Notizblocks der Bärwurzerei, die ich nur noch schneiden muss. Dann kann ich meinen Gesprächspartnern wenigstens eine Visitenkarte geben.
Freitag, 16. 06.2023
Heute startet das 14. Ritterspektakel zu Weißenstein. Leider sind schon zum Frühstück dunkle Wolken am Himmel. Nach dem Frühstück packe ich meinen Mittelalterkram, bleibe aber einstweilen noch in Zivil.
Wir fahren zum Einkauf. Über dem Geißkopf steht Mordors Finsternis, eine tiefschwarze Gewitterwolke. Nach dem Einkauf fahren wir nach Weißenstein weiter. Kaum haben wir die die B 85 überquert, als es zu regnen beginnt.
In Weißenstein ist der geteerte Parkplatz vor dem Kiosk zum größten Teil schon abgesperrt. Wir finden aber noch einen Parkplatz in der letzten, der freien Reihe. Morgen wird das garantiert nicht klappen. Beim Kassenzelt finden wir Unterstand und schleichen uns zum Süßwarenhändler weiter. Als der Regen kurz Luft holt, gehen wir zum Burggasthof Weißenstein und essen dort. Danach ist es kurz trocken, aber als wir zum Auto kommen, weil ich mir die Gugel holen will, schüttet es. Ich flitze mit dem ganzen Pack in die Toiletten beim Kiosk und ziehe mich dort doch komplett um. Die Kniebundhose mit langen Strümpfen und die Haferl-Schuhe dürften nun doch bessere Dienste leisten als offene Sandalen ohne Socken.
Gegen 12.30 Uhr hört der Regen auf. Wir streichen über das Festgelände, das obere Lager. Viele Lagergruppen sind noch mit dem Aufbau beschäftigt, einige heute erst gekommen, eine fehlt gar noch. Bei den Fieranten fehlen noch der tschechische Schmuckhändler Graciella und dessen Nachbar, der Schnapsbrenner. Etwas unglücklich, weil beide gleich die beiden ersten Plätze nach dem Kassenzelt belegen. Auch weiter hinten, bei der Kapelle, fehlen noch drei Fieranten. Hoffentlich kommen sie noch vor dem Anschuss.
Wegen der Aufbautätigkeit verzichte ich heute auf Interviews. Die Leute sind einfach zu beschäftigt. Bei Frijonds gebe ich aber meine erste Visitenkarte ab. Dort hatte ich vor vier Jahren ein Interview geführt – und werde sogar wiedererkannt.
Es ist 15.00 Uhr. Wir sitzen auf der Terrasse des Burggasthofs Weißenstein – und es wird schon wieder finster und grummelt. Wenn die Radarprognose stimmt, könnte Weißenstein jetzt verschont bleiben, aber für 16.00 – 1630 Uhr droht nasses Ungemach. Zum Anschuss soll es aber trocken sein. Auf der Terrasse treffen wir zwei Gewandete, die auch bestätigen „Lageristen“ zu sein. Sie zelten „hinter den Templern“. Interessant für ein Interview.
Bis zum Anschuss trifft Graciella-Schmuck doch noch ein, auch der Schnapsbrenner schlägt noch rechtzeitig auf, aber die drei Fieranten bei der Kapelle erscheinen nicht, ebenso die Gruppe Alcmuna, die ein ziemlich großes Feld im oberen Lager belegen soll. Ob im unteren Lagerbereich alle Gruppen eingetroffen sind, wissen wir nicht, weil wir dort noch nicht waren.
Es wird 17.00 Uhr. Boris Radlinger und Sepp Niedermeier eröffnen nach Fanfarenklängen der Vejdacha Fanfaren gemeinsam das 14. Ritterspektakel zu Weißenstein. Die Baierruther Katzbalgerey schießt mit Kanone und Hakenbüchsen dreifach an. Um 17.12 setzt erneut Regen ein, Immerhin ist die Eröffnung selbst trocken geblieben.
Wir haben uns rechtzeitig unter das Dach des Schnupferzeltes geflüchtet. Der Burganger ist nicht wirklich gerade, wie das vom Zeltdach auf die vorderste Reihe Tische und Bänke fallende Regenwasser beweist. Wolfgang und ich müssen mehrfach die Bänke kippen, um hinten nicht nass zu werden. Hat nicht ganz geklappt, wie ich aber erst beim Ausziehen am Abend bemerke.
Wir bestellen Bier. Tatsächlich, es sind 4,40 €, wie Sepp gesagt hat. Demzufolge ist der Bierpreis entgegen der Aussage gegenüber dem Bayerwald-Boten doch angehoben worden, und das nicht unerheblich. 2019 waren es 3,20 €. Das sind fast 40%!
Korrekterweise ist anzumerken, dass die Brauerei Falter seit 2019 die Preise deutlich erhöht hat. Ich meine, wir hätten 2019 noch unter 13 € für einen Kasten Export-Bier bezahlt, dieses Jahre verlangt die Brauerei 16,50 €. Die Energiekrise ist auch an den Brauereien nicht spurlos vorübergegangen. Das der Preis erhöht worden ist, ist angesichts der allgemeinen Inflation auch kaum zu kritisieren – nur die Aussage, der Preis sei nicht erhöht worden.
Als der Regen aufhört, holt Wolfgang von Mundgerecht zwei große Wickelwürste zu 6 € das Stück. Auch dort hat die Inflation zugeschlagen, logisch.
Beim Rundgang über den Markt entdecke ich bei Fock‘s Handcrafted Leather eine dunkelgrüne Schnür-Gugel, mit gelbem Muster bestickt, Hersteller Leonardo Carbone. Die 50 €, die der Händler haben will, erscheinen überprüfungswürdig. Da ich mein Smartphone dabei habe, kann ich bei Leonardo Carbone direkt nachschauen. Diese Gugel wird dort nicht angeboten, aber vergleichbare Stücke sind mindestens ebenso teuer. Ich gehe noch mal hin und kaufe sie. Der Händler meint, Leonardo Carbone würde einige Stücke nicht direkt vertreiben, sondern nur über Händler.
Bei Vehi Mercatus kann ich Schließen in Lilienform bekommen – das Paar zu 9 €. Ich kaufe drei.
Gegen 19.00 Uhr wird es wieder finster. Wir verlassen das Festgelände und fahren heim in unsere Ferienwohnung. Dort nähe ich noch am selben Abend die Schließen an die neue Gugel.
Samstag, 17.06.2023 (70 Jahre Volksaufstand in der DDR)
Entgegen der Wettervorhersage vom Vortag beginnt der Tag bedeckt und mit 14,3 ° C eher kühl. Deshalb wird heute wohl die Zusatzausrüstung wie Wappenrock oder Tunika fällig werden. Am warmen Hemd führt definitiv kein Weg vorbei, an der Gugel mit Rücksicht auf meine lädierte rechte Schulter sowieso nicht.
Ich will heute Interviews machen. Franto Husum, eine der alteingesessenen Gruppen hier, die uns bei jedem Ritterspektakel begegnet ist, sollte unbedingt dabei sein. Vielleicht finden wir auch die beiden Gewandeten von gestern wieder. Wider Erwarten bessert sich das Wetter. Ein blauer Himmel rückt von Westen näher, die Wolken verziehen sich in Richtung Osten. Die Tunika bliebt zu Hause, der Wappenrock kommt vorsichtshalber im Ausrüstungskorb mit.
Die Parkplatzprognose stimmt: Die wenigen freien Plätze auf dem geteerten Parkplatz sind belegt. Wir fahren auf die obere Parkplatzwiese, wofür wir 2 € bezahlen und einen Parkschein erhalten. Das Gras ist recht hoch, so 10 – 15 cm. Da muss man Petrus für den Regen der letzten Tage sogar dankbar sein, sonst wäre dieser Parkplatz extrem feuergefährlich – schließlich gibt es nahezu keine Kfz mehr ohne heißen Katalysator unter dem Fahrzeugboden. Wir legen die neuen Crewarmbänder an und bezahlen zur Verblüffung des Kassenpersonals unsere 10 €, gehen auf das Festgelände und starten den Rundgang.
Die Gruppe Alcmuna ist weiterhin nicht vorhanden. Nach Auskunft von Boris Radlinger hat die Gruppe sich aufgelöst. Ja, kann vorkommen, aber dann sollte man sich auch abmelden, zumal Boris und Sepp noch kurz vor Beginn der Veranstaltung Anfragen von Gruppen hatten, die sie ablehnen mussten, weil Markt und Lager voll belegt waren.
Gegen 13.25 Uhr gibt es einen Regenschauer. Die Wetterfrösche haben schon wieder daneben getippt, versprachen diese doch gestern Sonnenschein – ohne Regen! Der Regen ist zum Glück kurz. Wir gehen in die obere Burgschänke, um Kaffee zu trinken und auch wieder abzugeben. Von der vorderen Plattform des Fressenden Hauses kann ich den Umzug der Lagergruppen fotografieren. Der Umzug beginnt am unteren Lagerzugang, geht um den geteerten Parkplatz beim Kiosk, dann über den Höhenzug am Gläsernen Wald, durch Weißenstein, am Burggasthof vorbei und unter der Brücke zwischen dem Fressenden Haus und dem Gläsernen Wald hindurch in den oberen Zugang beim Markt.
Die Lagergruppen versammeln sich um den freien Platz zwischen der Vogtey, dem Bierzelt und dem Markt. Es erfolgt die Gästebegrüßung durch den 1. und 2. Vorsitzenden der Burgfreunde, der Dank an die zahlreichen Sponsoren, welche den weiterhin niedrigen Eintrittspreis von 5 € für drei Tage möglich machen, die engagierten Vereinsmitglieder und Freiwilligen und die Rechtler, die Eigentümergemeinschaft in Weißenstein, die ihren Grund und Boden für die Parkplätze und das Lager hergeben, sie geben Sicherheitshinweise für die folgende Schlacht um Weißenstein. Erstmals dabei ist der neue Bürgermeister von Regen, Andreas Kroner, der ebenfalls eine kurze Rede hält.
Dann folgt die Schlacht um Weißenstein, für die Sepp Niedermeier eine kurze historische Einführung gibt. Drei Kampfrunden mit Kanone, Hakenbüchsen, Bogenschützen, die Pfeile mit dicken stumpfen Enden verschießen und Schwertkampf dauert der Kampf um die Burg Weißenstein, dann hat der Herzog von Bayern den Hauptmann der Burg Weißenstein am Schlafittchen und droht, ihn einen Kopf kürzer zu machen, wenn Elisabeth, Gemahlin des ortsabwesenden Hans IV. von Degenberg, nicht die Schlüssel zur Burg herausrückt. Sie muss sich der Erpressung beugen und wird mit ihrem Anhang aus der Burg vertrieben.
Wir beobachten die Schlacht um Weißenstein vom Spielzeugstand unterhalb der Burgruine aus. Der Platz ist gut, denn wir stehen ganz vorne am Holzzaun. Zwar ist die Vogtey für die Fotos etwas im Weg, aber es dürfte genug zu erkennen sein. Einem Vater hinter uns passt das überhaupt nicht. Er schickt seine Töchter vor. Sie bleiben neben mir stehen und behindern mich nicht weiter. Er möchte aber auch, dass ich da verschwinde. Als ich ihm sage, dass ich zum Fotografieren dort sei, knurrt er: „Wenn ich das schon höre! Ja, ich will auch fotografieren!“ Ich knurre zurück, dass ich auch nur einen offiziellen Bericht mache und rühre mich nicht vom Fleck. Er lässt mich ab da in Ruhe. Der Sprache nach kommt er aus dem sächsischen Bereich. Was hatte Gorbatschow Honecker gesagt? „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!“. Dumm gelaufen, wenn schon jemand an dem Ort steht, den man selbst gerne haben möchte …
Nach Ende der Schlacht gehen wir hinunter, um noch ein Bier zu trinken. Es ist rappelvoll und sehr warm. Während ich dies notiere, führt die tschechische Stuntman-Gruppe Romantika ihr Programm auf. Ich gebe zu, dass ich die Handlung dieses Mal nicht wirklich kapiere. Wir trinken unser Bier aus und verlassen das Festgelände. Es ist einfach zu voll und zu laut. Hier ist es wie auf dem Hamburger Dom, dem Münchner Oktoberfest oder der heute gestarteten Kieler Woche am Wochenende. Für solche Fülle sind wir nicht mehr geeignet.
16.15 Uhr: Wir sitzen im Garten und genießen die Stille, die nur von Vogelgezwitscher und einem hoch fliegenden Flugzeug durchbrochen wird.
Das Ritterspektakel zu Weißenstein – das bestätigen uns alle Gesprächspartner, mit denen wir seit 2012 Interviews geführt haben – gehört zu den ruhigen Veranstaltungen (womit garantiert nicht der Publikumstrubel gemeint ist). Die Teilnahme ist für die Lagergruppen kostenlos. Andere Veranstalter verlangen sogar Geld von den Lagergruppen. Und wieder andere bezahlen die Lagergruppen – ob das jedoch die Kosten der Anreise und der Verpflegung deckt, ist eine ganz andere Frage.
Einer unserer Gesprächspartner nannte für Letzteres beispielhaft eine Mittelalterveranstaltung im österreichischen Ehrenfels bei Kufstein. Für ihn und seine Gruppe hätte das eine Anreise von 220 km bedeutet, bei den gegenwärtigen Treibstoffpreisen gewiss kein Pappenstiel. Dazu kommt eine Schaustellerversicherung, die z. B. bei Be- und Entladeschäden vom Kfz auf privatem Festgelände den Schadenfreiheitsrabatt rettet und auch für andere Schäden aufkommt, die im Rahmen einer solchen Veranstaltung eintreten können. Zwar betreibt keine der Lagergruppen dies berufsmäßig, aber bevor man lange mit dem Versicherer der eigenen Privathaftpflicht oder der Kfz-Versicherung diskutiert, ob der angerichtete Schaden übernommen wird oder ob das Privatvermögen dran glauben muss, ist es wohl auch für Hobby-Lageristen empfehlenswert, sich mit einer solchen Versicherung zu befassen. Aber sie kostet fraglos Geld. Die Veranstalter jenes Mittelalterfestes boten unserem Gesprächspartner 100 € – pauschal für alle Personen seiner Gruppe und für alle Kosten, die entstehen würden. Er meinte, bei 200 € pro Nase könnte man mal anfangen, drüber zu reden … Es hat sich nicht so angehört, als sei die Gruppe in Ehrenfels aufgeschlagen …
Nach Aussage eines Gesprächspartners wurde das bisher kostenfreie Frühstück für die Lagernden in Weißenstein dieses Jahr erstmals mit Kosten von 3 € belegt, soll dafür aber genial gewesen sein. Die Informationen für die Lagernden auf der offiziellen Website des Ritterspektakels ergeben zwar, dass Samstag und Sonntag Frühstück für die Lagernden ausgegeben wird, von Bezahlung dafür ist allerdings keine Rede. Dafür steht dort, dass für Lagernde gegen Anmeldung Getränkechips ausgegeben werden, für die in der Burghofschänke Getränke zum Vorzugspreis von 1,50 € geholt werden können. Sollte der Gesprächspartner da etwas mit dem Zusatzstroh durcheinander bekommen haben? Das soll nämlich 3 € kosten … Er merkt aber auch an, dass Weißenstein eben eine Wohltätigkeitsveranstaltung ist, deren Erlös dem Erhalt der Burganlage zugute kommt, weshalb er auch kein Geld verlangen würde, um hier zu lagern.
Sonntag, 18. 06.2023
Ein sonniger und sehr warmer Tag bricht an. Wir sind heute etwas früher aufgestanden, um am Burganger noch einen passablen Parkplatz zu finden. Als wir gestern Nachmittag wegfuhren, waren der obere und der untere Wiesenparkplatz komplett belegt. Wir bekommen tatsächlich einen Parkplatz auf dem oberen Wiesengelände, näher am Eingang als gestern. Meine neue Gugel bleibt einstweilen im Auto. Sollte ich sie benötigen, ist der Weg nicht weit.
Bei der Messe unter freiem Himmel im Gläsernen Wald wird es wieder voll. Fast glauben wir, dass wir nicht einmal einen Sitzplatz bekommen – und eine Stunde in der Sonne stehen, hätten wir uns nicht angetan. Wir finden dann aber doch eine Bank. Die Schattenplätze, eh rar gesät, sind längst besetzt.
Pfarrvikar Andreas Artinger stellt in seiner Predigt dieses Mal den Ritter, dessen Tugenden und die Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Zum Ende der Messe wird noch das neue Banner der Burgfreunde geweiht, das ein örtlicher Holzschnitzer gemalt hat. Motiv ist der Degenberger-Kopf. Möge die Farbe halten. Dass es so sein kann, beweist mir meine Jerusalemflagge.
Nach der Messe ist es schon sehr voll auf dem Marktplatz. An die „Fressbuden“ ist einstweilen kein Herankommen, solche Schlangen stehen davor. Da es uns noch nicht sehr hungert, gehen wir wieder auf den Burghof und trinken einen Kaffee. Ich habe damit auch die Gelegenheit, das Banner an der Feuertreppe am Fressenden Haus ganz zu fotografieren. Danach gehen wir durchs Lager, diesmal auch in die untere Ebene, die wir bisher noch nicht besucht haben. Dort finden wir die Communitas Bavarica, mit der wir ein Interview führen. Zurück auf dem Marktplatz haben sich die Warteschlangen in Luft aufgelöst, wir bekommen unsere Wickelwurst bei Mundgerecht, finden einen Platz vor dem Schnupferzelt vor der Bühne, die gerade unbespielt ist. Die Fülle um uns herum bringt uns zu dem Schluss, dass das feiernde Volk diese Mal in noch größerer Zahl erschienen ist als vor vier Jahren. Wir schließen schon damit ab, vom Umzug überhaupt etwas zu sehen.
Während wir dort sitzen, baut sich vor der Getränkeausgabe an der Hauptschänke eine Warteschlange auf. Wolfgang zählt 30 Personen, die nach Getränken anstehen. Die Bedienungen kommen weder mit dem Ausschenken noch mit dem Abräumen nach.
Wir haben den Umzug gesehen – von draußen, unter einem Baum am geteerten Parkplatz. Ich habe alle Gruppen nochmals fotografieren können, sogar aus der Nähe. Unsere Gesprächspartner aus aktuellen und früheren Interviews winken uns zu, freuen sich, uns zu sehen. Der Umzug ist wegen der höheren Temperatur gegenüber gestern wieder verkürzt und führt vom unteren Lagerzugang über die Straße, um den geteerten Parkplatz herum und am Kiosk vorbei direkt in den Marktbereich. Die Überquerung des Hügels und der Marsch durch Weißenstein bleibt den Lagernden erspart.
Nach dem Ende des Umzugs fahren wir wieder heim, um uns im Garten von Lärm und Überfüllung zu erholen. Von der Schlacht um Weißenstein, die dem Umzug und der Gästebegrüßung folgt, würden wir garantiert gar nichts zu sehen bekommen. Beim 13. Ritterspektakel wurden 6 – 8.000 Besucher vom Bayerwald-Boten geschätzt. So voll, wie es Samstag und Sonntag war, dürften es dieses Jahr noch mehr Besucher gewesen sein.
Die Interviews, die ich gestern und heute mit Germanitas Ferri, Franto Husum und Communitas Bavarica geführt habe, zeigen, dass die ursprünglichen Gruppen überaltern und sich mehr oder weniger auflösen. Mit der Ritterschaft Franto Husum hatte ich eine der ganz alteingesessenen Gruppen dabei. Die Communitas Bavarica ist zwar eine neue Gruppe, besteht aber aus zwei ehemaligen Mitgliedern der Custodes Biburgensis und deren Familie. Sie erkannten uns nach dem Interview von vor vier Jahren auch wieder. Nach deren Aussage hat die Corona-Pandemie bei vielen Gruppen zu Auflösungserscheinungen geführt. Viele der Gruppen, mit denen wir in diesem und in den vergangenen Jahren gesprochen haben, kommen ja nicht nur aus einem Ort, sondern häufig aus mehreren Gemeinden, die aber halbwegs benachbart sind, manche sind noch weiter verstreut. Da waren die Kontaktbeschränkungen, die gerade Bayern anfangs sehr strikt gehandhabt hat (einschließlich Ausgangssperre im ersten Lockdown 2020), dem Kontakt innerhalb der Gruppen gewiss nicht zuträglich. Keine gemeinsamen Trainings, keine gemeinsame Bautätigkeit, keine gemeinsamen Überlegungen bei einer Zusammenkunft, keine gemeinsamen Spiele … Zoom-Konferenzen können wirklich nicht alles auffangen.
Sofern uns die Gruppen von mehreren Veranstaltungen bekannt sind, sind auch die Jahre nicht spurlos an den Menschen vorbeigegangen. Wir waren 2012, vor 11 Jahren, erstmals beim Ritterspektakel. Diese 11 Jahre haben nicht nur wir, sondern alle Beteiligten zusätzlich auf dem Buckel.
Gegen 17.00 Uhr fahren wir nochmals nach Weißenstein. Keine Parkwächter mehr, Kassen geschlossen. Uns kommen mehr Fahrzeuge entgegen, als nach Weißenstein hinauf fahren. Der untere Parkplatz hat sich schon deutlich geleert, der obere weist auch schon Lücken auf. Eine davon nutzen wir, um das Auto zu parken.
Auf dem Festgelände verkaufen die Händler aber nach wie vor. Die Spielzeugverkäufer dürften wieder rekordverdächtig umgesetzt haben. Es gibt auf dem Burganger kein Kind, das nicht irgendwie mittelalterlich bewaffnet wäre.
Die Spielleute Eichelheer drehen noch mal auf, haben aber schon Verspätung. Der Abschlusstanz der Amici Castelli ist für 17.50 Uhr geplant, kann aber erst um 17.59 Uhr starten.
Dafür steht der erste PKW schon um 17.37 Uhr auf dem Marktplatz, als die Veranstaltung noch längst nicht offiziell beendet ist.
Als der Abschlusstanz dann beginnt, sind die Fieranten und selbst Lagergruppen nicht mehr zu halten. Hinter den Tanzenden fahren munter Fahrzeuge mit Anhänger auf das Gelände, um Stände und Lager einzupacken. Wir finden so ein Verhalten einfach unmöglich!
Nach dem Tanz versucht Wolfgang, noch ein Brezenschwert zu bekommen. Geht nicht. Alles ausverkauft! Der Sengzelter gegenüber hat noch einen brennenden Ofen, aber auch da ist nichts mehr zu holen. Die Kasse der Fieranten stimmt ganz gewiss. Ingrid, Sepps Frau, bestätigt uns, dass die Bedienungen sehr zufrieden sind. Die Trinkgeldkasse hat offenbar ebenso geklingelt wie die Vereinskasse.
Montag, 19.06.2023
Ich beginne, das Tagebuch zu digitalisieren. Zu meinem Schrecken stelle ich fest, dass die Website bisher eine rein private Website ist, die nur mit Passwort erreichbar ist. Ich ändere das in „öffentlich“ und kann nur beten, dass die Gruppen, denen ich meine „Visitenkarte“ gegeben habe, noch nicht versucht haben, sie aufzurufen.