Draconis Custodis

Draconis Custodis ist ein seit etwa zehn Jahren bestehender Verein, der in Zirndorf beheimatet ist, aber auch nach Nürnberg und Cham „ausgestreut“ hat. Die 15 Vereinsmitglieder (von denen 5 in Weißenstein waren) sind grundsätzlich Bayern – abgesehen vom „Fischkopp“ Antarian, der als gebürtiger Rüganer tatsächlich aus der Gegend stammt, die die historische Grundlage des Vereins ist.

Draconis Custodis stellt Ranen des 10. Jahrhunderts dar, die auf dem Handelszug gen Venedig sind. Die Ranen – ursprünglich als Rujanen bekannt – waren Westslawen, die im Zuge der Völkerwanderung um 700 n. Chr. die Insel Rügen erreichten und sich dort etwa sechshundert Jahre als selbstständiges Volk neben Obotriten und Wilzen halten konnten. Sie waren neben den üblichen bäuerlichen Tätigkeiten auch als Händler, in der Hauptsache aber als Seefahrer und Piraten aktiv. Der letzte slawische Fürst Rügens, Wizlaw III., starb 1325, womit die Herrscherzeit der Ranen endete. Die letzte ranisch sprechende Frau auf Rügen soll etwa 1404 gestorben sein.Ranen-Zelte mit „wikingischem“ Muster – Magnete für die Augen ...

Anders als für die weiter westlich lebenden Obotriten (die Schreibweise wechselt. Es gibt auch die Versionen Abodriten, Abotriten und Obodriten) ist die Geschichte der Ranen nur rudimentär erforscht. Das birgt für die Gruppe sowohl Schwierigkeit als auch Chance. Schwierigkeit, weil man nicht so sehr viel über dieses Volk weiß, Chance aus demselben Grund. Jedenfalls hätte jeder „A-Papst“ gewaltige Probleme, Fehler in der Darstellung nachzuweisen …


Die Gruppe lehnt sich in der Wahl ihrer Muster, Waffen und Rüstungsteile an wikingische Formen an, was denn auch prompt dazu führte, dass wir sie für solche hielten. Man hat uns diesen Lapsus großmütig verziehen (und mir den Hinweis gegeben, den als Sonnenschutz zum hochmittelalterlichen Wappenrock gewählten waldlerischen Breitrandhut bei Gelegenheit gegen eine wirklich mittelalterliche Kopfbedeckung auszutauschen. Ich habe es mir zu Herzen genommen … Vierundzwanzig Stunden später zierte ein Wollhut Marke „Robin Hood“ meine Sammlung – und meinen Kopf …)

Die Ranen von DRACONIS CUSTODIS – Rögenvalder von Rujanen, Antarian, der Südschwede und Aslak Jörgenson (v. l. n. r., rechts der Zeltstange) im Gespräch mit Karfunkel. 


Die Lagereinrichtung einschließlich der acht Zelte ist zwar als „Stangenware“ gekauft worden, aber von der Gruppe ins Ranische modifiziert. Die Bemalung der Zelte – liebevoll gestaltete Flechtmuster – hat der Chef Rögenvalder von Rujanen höchstselbst in ungezählten Winterarbeitsstunden aufgebracht. Das einzige Teil, an dem die Hände unserer Gesprächspartner nichts verändert haben, ist das professionell gestaltete und auf Bestellung gedruckte Banner der Gruppe, das über dem Sonnensegel schwebte, unter dem wir mit den Gruppenmitgliedern Rögenvalder, Antarian, dem Südschweden und Aslak Jörgenson die Unterhaltung führen konnten.

Wichtig ist für Draconis Custodis der Kontakt zum Publikum. Deshalb verzichten sie auf jede Art von Zaun, auch wenn das bedeutet, dass sich schon mal jemand in Aslaks Zelt verirrt hat und dort zu nächtigen gedachte. Ein Zaun ist nach Ansicht der Gruppe stets ein Hindernis, selbst wenn eine Lücke bleibt. Zu viele würden sich ihrer Meinung nach dann gar nicht erst trauen, mit ihnen ins Gespräch kommen zu wollen. Die Zelte sind tagsüber offen, so dass die Einrichtung auch sichtbar ist … äh, abgesehen vom etwas weiter hinten befindlichen „Neuzeitzelt“, in dem sich einige moderne Einrichtungen befinden, auf die der Mittelaltermarktteilnehmer heute allen Versuchen zum Trotz nicht verzichten kann. Wir decken den Mantel des Schweigens über den genauen Inhalt d Die Waffenausstellung von Draconis Custodis beim Ritterspektakel zu Weißensteinieses geheimnisvollen Zeltes … Nur so viel sei gesagt: Gekocht wird dort nicht!

Zielgruppe der Ranenfreunde sind die Kinder. Auch deshalb ist für sie eine absolut authentische Darstellung nicht maßgeblich. Mittelalterspektakel, so die einhellige Meinung unserer Gesprächspartner, soll in erster Linie Freude machen und kein purer Geschichtsunterricht sein. Wenn historisches Interesse geweckt wird, der junge Besucher oder die junge Besucherin davon angesteckt wird und eigener Forscherdrang bei den Kindern zündet, dann haben sie viel mehr erreicht, als selbige durch stur authentische Darstellung vielleicht zu langweilen. Das heißt nicht, dass sie sich nun auf „Spielfilmniveau“ begeben würden. Ihre Waffenshow ist durchaus Volksbelustigung, aber dabei wird kein unhistorischer Blödsinn vermittelt. Die Kampftechniken, die sie vorführen und mit Interessierten aus dem Publikum machen, enthalten belegbare Elemente – nur ob sie zwanghaft ranisch sind, ist eine andere Frage.

Genau darum geht es ihnen: Richtige Geschichte vorführen, ohne mit aller Gewalt an ihrem gewählten Zeit- und Völkerrahmen kleben zu bleiben. Für sich selbst sind sie historisch getreu, soweit sich das angesichts der eher dünnen Quellenlage ermitteln lässt.  

Offenes Lager ohne Zaun, Gäste stets willkommen – Die Ranengruppe  Draconis Custodis beim Ritterspektakel zu WeißensteinBeim Ritterspektakel zu Weißenstein sind sie traditionelle Gäste, die seit vielen Jahren kommen und inzwischen eine Einladung erhalten statt sich bewerben zu müssen. Ihr Beitrag zum Gelingen des Spektakels besteht neben dem öffentlichen Lagerleben in als Training verpackten Schaukämpfen, als Bogenschützen bei der Waffenschau und –vorführung am Samstag sowie der Beteiligung an den Umzügen der Gruppen durch.

Ich will es nicht versäumen, die beiden Anekdoten über das manchmal unglaubliche Publikumsverhalten weiterzugeben, die uns Antarian und Rögenvalder erzählt haben. Eine Schrifttafel an einem anderen Lagerplatz und die Gespräche mit anderen interviewten Gruppen haben uns nur bestätigt, dass sie leider schlichtweg wahr sein müssen:

Die Sache mit dem Essen: Es scheint eigentlich müßig, darauf hinzuweisen, aber die Lagerteilnehmer kochen tatsächlich selbst auf den Lagerfeuern und nicht etwa auf einem heimlich im „Neuzeitzelt“ befindlichen Campingherd. Aber die Dummheit von Menschen kennt wahrlich keine Grenzen. Bei den neben Draconis Custodis lagernden Wolfskindern stand in bei einer anderen Veranstaltung ein Kessel mit praktisch fertigem Eintopf auf dem Feuer. Ein rauchender Marktbesucher kommt in das – ebenfalls nicht abgezäunte – Lager, nimmt die Zigarette aus dem Mund und befördert sie in den Kessel mit dem Eintopf. Seine Bemerkung dazu: „Ist doch alles sowieso nicht echt!“ Besagter Besucher wurde wohl noch halbwegs höflich mit der Polizei vom Markt befördert. Antarian, der dies berichtete und dessen Freundin Mitglied bei den Wolfskindern ist, hätte ihm am liebsten Maulschellen verpasst … 


Die Sache mit dem Holz: Rögenvalder erzählte, dass eines Tages ein Vater mit seinem Sohn vor dem Lager der Draconis Custodis stehenblieb und auf das Lagerfeuer mitsamt dampfendem Kessel hinwies. Dazu sagte er seinem Sohn: „Das ist alles falsch! Im Mittelalter konnten sie noch nicht kochen. Da gab es noch kein Holz.“ Reaktion von Rögenvalder: „Ja, stimmt. Aber wir müssen ja was essen. Den ersten Baum hab‘ ich selbst 1847 gepflanzt.“


(www.draconis-custodis.eu)

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