9. Ritterspektakel 2012


9. Ritterspektakel zu Weißenstein bei Regen 08. – 10.06.2012



Die Burg Weißenstein bei Regen gilt als eine der bedeutendsten Burgbauten im östlichen Bayern, mag sie auch nur noch in Gestalt des noch intakten so genannten Getreidekastens und übel gerupfter Mauern existieren. Die Burgruine ist als Höhenburg weithin sichtbar und eines der Wahrzeichen der Kreisstadt Regen im Bayerischen Wald. Erhalten wird sie durch Eintrittsgelder des Museums im Getreidekasten und das Engagement der Freunde der Burganlage Weißenstein e. V.

 

Alle zwei Jahre – jeweils in geraden Jahren – findet das „Ritterspektakel zu Weißenstein“ statt, das von den Freunden der Burganlage Weißenstein e.V., kurz Burgfreunde genannt, organisiert wird. Mit einem Eintrittspreis von 4 € für alle drei Veranstaltungstage (Kinder unter 14 Jahren haben freien Eintritt, das ist ebenso lobenswert wie selten) fällt das Weißensteiner Ritterspektakel ins moderate Preissegment. Möglich ist der günstige Preis durch Sponsoring der Stadt Regen und der weitaus meisten örtlichen Geschäftsleute. Nach Auskunft des Vorsitzenden der „Burgfreunde“, Josef Niedermeier, der das Spektakel organisiert, ist der Verein gemeinnützig und ist deshalb bestrebt, insbesondere Familien mit Kindern und weniger gut bemittelten Interessierten ein kulturelles Angebot zu machen, ohne den Geldbeutel zu sehr zu belasten.

Wie bei den meisten gleichartigen Veranstaltungen bekommt der Besucher einen Farbstempel aufgedrückt – einschließlich der Empfehlung, sich zumindest an dieser Stelle nicht zu waschen. Die Veranstalter sind sich gelegentlicher Beweisschwierigkeiten ihrer Besucher an den Folgetagen offensichtlich bewusst und akzeptieren auch verwaschene Stempelflecken, sofern die Farbe noch erkennbar ist.

Parkplätze sind in Weißenstein dünn gesät. Es gibt einen asphaltierten Parkplatz, der bei solchen Veranstaltungen aber schnell an seine engen Grenzen stößt. Hier waren während der diesjährigen Veranstaltung auch Parkplätze für Behinderte und Ehrengäste (die Bürgermeister der Stadt Regen und den Landrat des Kreises Regen) reserviert. Die Veranstalter hatten von ortsansässigen Landwirten sowohl für den Veranstaltungsort als auch für Parkplätze Wiesen angemietet und hatten auch um rechtzeitige Mahd gebeten, die insbesondere im Lagerbereich allerdings nicht erfolgt war.

Das Weißensteiner Ritterspektakel hat deutliche überregionale Bedeutung, wie an der Teilnahme von Gruppen abzulesen ist, die von weither kommen. 2012 waren außer den Burgfreunden und den ebenfalls aus dem Landkreis Regen stammenden Freyen von Blachendorf aus Drachselsried und den Klosterjägern aus Rinchnach noch Gruppen aus anderen Kreisen und Regierungsbezirken Bayerns und aus Sachsen, aber auch aus Österreich und Tschechien dabei. Die meisten Mitwirkenden sind zum wiederholten Mal dabei.

Inzwischen ist die Veranstaltung, die 2001 mit den „Burgfreunden“ und dem Freien Ritterorden der Templer aus Fürstenfeldbruck ganz klein begann, mit 33 angemeldeten und 31 erschienenen Gruppen so groß geworden, dass weitere interessierte Gruppen und Händler sogar abgewiesen werden mussten. Eine weitere Steigerung der Teilnehmerzahlen wäre nach den Worten des Vorsitzenden für einen Verein von Idealisten, die ihre Freizeit investieren und solche Veranstaltungen nicht von Berufs wegen betreiben, nicht mehr händelbar. Dennoch sind 2012 neue Gruppen hinzugekommen, dafür haben andere, die bereits teilgenommen haben, diesmal jedoch verzichtet. 

Kernstück des Ritterspektakels zu Weißenstein ist die „Schlacht um Weißenstein“, die von den Burgfreunden mit anderen Gruppen nachgespielt wird – wenn das Wetter es denn zulässt …

Diese Schlacht um Weißenstein ist kein Fantasieprodukt der Veranstalter, die hat es am Sankt-Barbara-Tag, am 4. Dezember 1468 tatsächlich gegeben. Die beteiligten Gruppen sind deshalb in der Regel im Stil des 15. Jh. gewandet.

Zum Kampf um die Burg Weißenstein 1468 und zu den Hintergründen, wie es dazu gekommen ist, wird es voraussichtlich in einer der kommenden Ausgaben einen Artikel geben.   


Vom 8. bis zum 10. Juni 2012 war es wieder soweit. Pünktlich zur Eröffnung am Freitag, den 8. Juni 2012 um 17.00 Uhr verdunkelte sich der Himmel, Regen setzte ein. Zeitweise wurde es richtig finster, Sturm zerrte an den Zelten und durchnässte sogar die Musiker von Malus Ludus, die die Eröffnung des Spektakels musikalisch begleiteten, auf der mit einem Zeltdach geschützten Bühne.

Josef Niedermeier stellte in seiner Eröffnungsansprache denn auch fest, es sei wieder „Ritterspektakelwetter“. Man kann daraus nur schließen, dass die Teilnehmer dieser Veranstaltung Kummer in Sachen Wetter gewohnt sind. Dieses Jahr wurde sie allerdings auf eine besonders harte Probe gestellt – so nass wie dieses Jahr war es zu Spektakelzeiten noch nie, erklärte der Vorsitzende im Gespräch mit Karfunkel.  

Lager und Marktbereich waren deutlich voneinander getrennt, aber für die Veranstaltungsbesucher durchgängig erreichbar. Um den Hauptplatz vor der Burg waren die Zeltbühne, das Festzelt und die erste Reihe der Marktstände aufgebaut, zur Kapelle etwas weiter zur Straße hin der weitere wortwörtliche Händlerkreis. Das Lager war in zwei große Sektionen geteilt, die ein kleiner Waldsaum trennte.

Bereits vor 17.00 Uhr hatten die meisten Marktstände geöffnet und boten ihre Waren feil. Im Festzelt zeigte sich eine besondere regionale Spezialität: In Bayern ist es Gesetz, dass in Biergärten und Bierzelten der Gast sein Essen mitbringen darf und lediglich die Getränke beim Betreiber des Biergartens oder Bierzeltes kaufen muss. Etwas unglücklich war deshalb der Umstand, dass – abgesehen von den eifrigen Köchen des zum Festzelt benachbarten Verkaufsstandes von Mundgerecht – die übrigen „Fressstände“ auch zur eigentlichen Veranstaltungseröffnung noch nichts zu verkaufen hatten. Die Wickelwurst von Mundgerecht stillte den kleinen Hunger der Verfasser, das speziell für dieses Ritterspektakel von der ortsansässigen Brauerei Falter gebraute dunkle „Ritterbier“ den Durst.

An Programm wurde schon am Freitag allerhand geboten: Neben den Musikern Malus Ludus und dem Harfenisten Frederik Finn unterhielt der Gaukler der wandernde Hannes die Gäste auf der Zeltbühne. Die Seherin bot ihre Weissagungen an, auf der Bogenschießbahn konnten große und kleine Erben Robin Hoods ihre Künste ausprobieren, auch wenn in diesem Jahr kein Bogenturnier stattfand. Im Lager der Baierruther Katzbalgerey aus Bayreuth fand eine Waffenschau ihrer Kanonen statt, die Ritterschaft von Drachenfels aus Plattling und die Amici Castelli aus Weißenstein zeigten mittelalterliche Tänze, im Abendprogramm ab 20.00 Uhr bot die Bruderschaft des Roten Drachen aus Niederwinkling eine Feuershow.   


Zelt und Zeltbühne auf dem Hauptplatz des Ritterspektakels zu Weßenstein 2012Samstag, der 9. Juni, begann regnerisch, nachdem es bereits die ganze Nacht durchgehend geregnet hatte. Das Ritterspektakel eröffnete um 11.00 Uhr. An diesem Tag war auch für das leibliche Wohl von Anfang an gut gesorgt. Der Veranstaltungsplatz und das Lager waren vom Regen des Vortages und der Nacht gründlich durchnässt. Die Veranstalter – mit dem Problem vertraut – hatten in den Tagen vor der Veranstaltung reichlich Stroh anliefern lassen, das sowohl auf dem Hauptplatz des Spektakels als auch in den breiten Gängen zwischen den Lagerplätzen verteilt wurde, um ein Verschlammen der Wiesen so weit wie möglich zu verhindern. Dass es infolge des Wetters nicht gelingen wollte, konnten Fotograf und Autorin zwanglos an bis deutlich über die Knie mit Schlamm bespritzten und am Ende wahrhaft lehmgestärkten Hosen und komplett verlehmten Schuhen ablesen. Wer nicht gerade – wie die tschechische Stuntman-Gruppe Romantika – mit überknielangen Schaftstiefeln aus massivem Leder ausgerüstet war, konnte sich schon mal überlegen, wie dieser Dreck aus den Gewandungen wieder zu entfernen war … Zu verhindern war eine Verschmutzung definitiv nicht – es sei denn, man wäre in der Lage gewesen, auf einem Hexenbesen zu reiten.

Die bereits angesprochene Gruppe Romantika, gewandet in Kleidung, die der von Edelleuten und/oder Soldaten des 17. Jahrhunderts entsprach, führte zur Mittagszeit eine als Theaterstück gestaltete Stuntshow auf, die von Raufbolden in der Kategorie von Alexandre Dumas‘ Musketieren erzählte, die sich vor einem Gasthaus treffen und zunächst den Gastwirt wecken müssen, beim Saufen in Streitigkeiten geraten und sich entsprechende Kämpfe mit dem Rapier liefern. Toll gespielt, toll dargestellt, dank großartiger Pantomime auch ohne Worte verständlich – und mit exzellenten Stunts versehen, die sich der ungeübte Marktbesucher besser verkneifen sollte. Im Gegensatz zu zwei Besuchern der Veranstaltung in wirklich nett hergerichteten Piratenkostümen (Captain Jack Sparrow übermittelte unübersehbar seine Grüße), die mit sorgfältig abgeklebten Spitzen ihrer blank im Gürtel getragenen Degen über den Markt des Spektakels flanierten, arbeiteten die Stuntmen aus Tschechien mit spitzen und scharfen Rapieren – und kamen ohne Verletzungen davon. Respekt für diese Arbeit, die einen hohen Trainingsstand dokumentiert.

Der Freie Ritterorden der Templer aus Fürstenfeldbruck, die sich mit ihren sehr unterschiedlichen Rüstungen erkennbar viel Mühe einer historisch stimmigen Darstellung gegeben hatten, veranstaltete eine „Knappenschule“ für die Kleinen (auch für die ganz Kleinen. Der Jüngste, den ich selbst dort mit einem Schwert gesehen habe, dürfte etwa vier Jahre gewesen sein). Die Kinder waren von der Darbietung zum Mitmachen offenbar mehr als nur angetan, denn in der Knappenschule war stets viel los.

Sie kommen von weit her ... Auswärtige Gruppen beim Ritterspektakel zu Weißenstein 2012 dokumentieren die überregionale Bedeutung der Veranstaltung.Um 14.00 Uhr traten alle 31 eingetroffenen Lagergruppen und der Fanfarenzug des Spielmannszuges der Stadt Regen zum großen Umzug an, der am Eingang der Veranstaltung begann, über den Hauptplatz zum Lager, durch den vorderen Teil des Lagers und wieder auf den großen Hauptplatz führte. Der Vorsitzende der „Burgfreunde“ begrüßte die Gäste, die Ehrengäste (am Samstag war es der Zweite Bürgermeister der Stadt Regen) und dankte den zahlreichen Sponsoren, die mit Geld oder Sachzuwendungen die Veranstaltung ermöglicht hatten. Wirklich pünktlich zu diesem Termin hatte nicht nur der Regen aufgehört, nein, die Sonne wühlte sich durch die Wolken und vertrieb sie bis weit in die Nacht.

Nach Gästebegrüßung und Ansprache wäre der folgende Programmpunkt eigentlich die Vorführung des Schaukampfs der „Schlacht um Weißenstein“ gewesen, doch hatten der Dauerregen und einige tausend Füße der großen und kleinen Besucher den Hauptplatz vor der Bühne allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz in ein wahres Schlammparadies verwandelt, auf dem eine Massenschlacht nicht mit der erforderlichen Unfallsicherheit für die Mitwirkenden möglich gewesen wäre. Stattdessen führten die Gruppen besser koordinierbare Einzelkämpfe vor, präsentierten die Bogenschützen Altrandsberg die Wirkungsweise eines Pfeilhagels, wie ihn englische Bogenschützen in der Schlacht von Azincourt entscheidend angewandt hatten. Der kommentierende Sprecher der Gruppe machte dabei unmissverständlich klar, dass Bogen-Scharfschützen wie Robin Hood nicht nur von seiner Person her ins Reich der Legende gehören, sondern auch von der damaligen Schusstechnik, die hauptsächlich von der Masse der Pfeile lebte und nicht von gezielten Schüssen. Dabei sollte nicht unerwähnt bleiben, dass insbesondere der englische Langbogen eine solche Durchschlagskraft hatte, dass darüber die ersten Abrüstungsverhandlungen der Welt geführt worden sein sollen.

Die Mitwirkenden dieses Teils der Veranstaltung waren mit Rüstungen und Gewandungen im Stil des 15. Jh. ausgestattet und führten ergänzend noch Angriffsweisen der Fußsoldaten dieser Zeit vor. Die „Schlacht um Weißenstein“ war der einzige Programmpunkt, der wetterbedingt abgesagt werden musste.

Nachdem die Sonne den Rest des Samstags freundlich beschien, füllte sich der Veranstaltungsort auch mit deutlich mehr Gästen als am Vormittag.


Markttreiben unter dem RegenschirmAm Sonntag, den 10. Juni 2012, war das Wetter noch übler als am Samstag; es regnete – teilweise schauerartig verstärkt – bis über Mittag hinaus. Der für 11.15 geplante Festgottesdienst unter freiem Himmel im Gläsernen Wald gleich neben dem Veranstaltungsgelände mit dem Regener Stadtpfarrer Ederer und dem Kirchenchor Zell war nur etwas für die ganz Wasserfesten. Der Platz war in noch schlimmerem Zustand als am Tag zuvor. Nicht alle zu erwartenden Gäste ließen sich von Wetter und Platzzustand abschrecken, aber es waren doch weniger, als in trockeneren Jahren für gewöhnlich kommen. Außer der „Schlacht um Weißenstein“, die wie am Samstag in Absprache zwischen Veranstalter und Mitwirkenden des Programmpunktes wetterbedingt abgesagt werden musste, fanden alle anderen Darbietungen der Gruppen auf dem Hauptplatz, der Bühne und im Lager statt. Anstelle der Schlacht wurden wiederum Ersatzdarbietungen gezeigt, die für die Mitwirkenden weniger gefährlich waren als die Darstellung des Kampfes um die Burg.

Besonders anzumerken ist, dass sowohl die Erste Bürgermeisterin von Regen, Ilse Oswald, als auch der Landrat des Kreises Regen, Michael Adam, stilgerecht in Gewandungen des 15. Jh. erschienen waren.

Lager und Markt Weißenstein 2012Der Umzug der beteiligten Gruppen um 14.00 Uhr wurde auf den Hauptplatz beschränkt. Der Lagerbereich wäre sonst wohl ebenfalls im Matsch versunken.

Wegen der völligen Aufweichung des Platzes, der inzwischen aus einer gut durchgestampften Masse von Lehm und Stroh bestand und als Baumaterial für Fachwerkhäuser hervorragend geeignet gewesen wäre, brach der Veranstalter das Ritterspektakel zu Weißenstein um 17 Uhr vorzeitig ab.

Bis 20.00 Uhr, so Josef Niedermeier im Gespräch mit Karfunkel, waren die Wagen der Gruppen und der Händler vom Platz gezogen. Unfälle hatte es dank der Vorsichtsmaßnahmen aller Beteiligter und der abgesagten Schlacht nicht gegeben.    


2012 war das 9. Ritterspektakel zu Weißenstein. 2014 wäre mit einer zehnten Auflage die Jubiläumsveranstaltung im Kommen. Am Montag nach dem diesjährigen Ritterspektakel, als die Autorin Gelegenheit hatte, mit dem Vorsitzenden der Freunde der Burganlage Weißenstein e. V. Josef Niedermeier wegen ergänzender Informationen zu telefonieren, war für ihn aber noch keinesfalls sicher, dass es eine solche Jubiläumsveranstaltung geben wird. Das in diesem Jahr auch für die vom Wetter schon normalerweise wenig verwöhnten „Burgfreunde“ extrem nasse Ereignis hat auf den hierfür angemieteten Wiesen – sei es für die Veranstaltung selbst, aber auch um Parkmöglichkeiten zu schaffen – im Wortsinne tiefe Spuren hinterlassen. Es wird darauf ankommen, ob und wie schnell die Wiesen von den Mitgliedern des Vereins wieder hergerichtet werden können. Was dies die „Burgfreunde“ kosten wird, ist derzeit nicht übersehbar.

Auf die Frage, ob man schon darüber nachgedacht habe, den Termin, der oft mit Regen in Regen aufwartet, in eine Zeit zu verlegen, in der besseres Wetter zu erwarten sei, sagte der Vorsitzende, das sei so gut wie unmöglich. Der Sommer sei durch zahlreiche ähnliche Veranstaltungen sehr eng getaktet, die die möglichen Teilnehmer bänden, die beteiligten Gruppen planten ihre Auftritte bei den verschiedenen Veranstaltungen schon lange im Voraus. Deshalb sei man bei dem Termin in der ersten Juni-Dekade geblieben und werde dies auch bei möglichen weiteren Veranstaltungen beibehalten.



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